Die Lebenshilfe stellt sich neu auf

Geschäftsführer tragen künftig mehr Verantwortung / Aufsichtsrat fungiert als Kontrollgremium

Bruchsal/Bretten. Die Lebenshilfe Bruchsal-Bretten organisiert sich neu. In der jüngsten Mitgliederversammlung hat der Verein die Weichen dafür gestellt und will sich damit als Unternehmen der Sozialwirtschaft professionalisieren, begründen Geschäftsführung und Vorstand den Schritt.

Die Hauptverantwortung im Verein liegt im Moment noch auf dem ehrenamtlich tätigen Vorstand, der von Waghäusels Bürgermeister Thomas Deuschle angeführt wird. Bei einem jährlichen Umsatz von rund 30 Millionen Euro, 515 Beschäftigten und 890 Menschen mit Behinderung, die in den Werkstätten arbeiten, ist das nicht mehr zeitgemäß.

„Das alles kann ein ehrenamtlicher Vorstand nicht mehr vollumfänglich überblicken und steuern“, sagt Deuschle. Im Moment würde er mit seinen Vorstandskollegen zudem noch mit dem Privatvermögen in Haftung genommen werden. Eine Verantwortung, die man nachfolgenden Vorständen nicht mehr zumuten wolle. Zumal es immer schwieriger werde, in einem Verein überhaupt die Nachfolge zu regeln.

Drei Geschäftsführer hat die Lebenshilfe zwar heute schon, doch sind sie im Moment „Erfüllungsgehilfen“, bevollmächtigt durch den Vereinsvorstand. Investitionen oder Personalentscheidungen können nicht ohne das Vorstandsgremium getroffen werden. „Selbst bei der Beschaffung von Masken brauchten wir grünes Licht“, sagt Bernd Gärtner, einer der Geschäftsführer. Durch das neue System erhoffe man sich schnellere Entscheidungen und schlankere Prozesse. Der Vorstand wird dann nicht mehr Teil der Geschäftsführung sein. Deren Verantwortung soll dafür größer werden. Als Kontrollorgan wird ein Aufsichtsrat eingesetzt. Dessen Mitglieder arbeiten auch in Zukunft ehrenamtlich, betont Deuschle. „Der Rat wird die strategische Entwicklung der Lebenshilfe steuern“, ergänzt Gärtner. Eine weitere Änderung: aus den Geschäftsführern werden künftig Vorstände. Neben Bernd Gärtner (für den Bereich Wohnen) sind das Robin Kaupisch und Hauptgeschäftsführer Markus Liebendörfer.

Die Mitgliederversammlung wird künftig den Aufsichtsrat wählen, der wiederum den Vorstand beruft. Beide Gremien werden vom Eltern- und Angehörigenrat beraten. Größte Sorge der Angehörigen und der Menschen mit Behinderung war in diesem Umstellungsprozess, dass sie künftig kein Mitspracherecht mehr haben könnten. Das sei jedoch mit der Einrichtung eines Aufsichtsrates entkräftet worden.

Andrea Unser ist seit drei Jahren im Vorstand und wird auch im Aufsichtsrat vertreten sein. Ihr Sohn Niko arbeitet in einer der Lebenshilfe-Werkstätten. „In der Satzung ist festgeschrieben, dass auch Angehörige im Aufsichtsrat vertreten sein müssen“, sagt die Philippsburgerin. Dadurch sei gesichert, dass auch deren Meinung berücksichtigt werde. Eine weitere Neuerung: „Es können jetzt Ausschüsse zu bestimmten Themen gebildet werden, dort können sich Eltern und Angehörige einbringen.“ In der alten Struktur sei das nicht möglich gewesen.

Unser sieht die Änderungen im Verein als wichtigen Schritt an. So sei die Lebenshilfe besser auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet. „Die Entwicklung geht hin zu einer größeren Diversität beim Wohnen und Arbeiten, bei der Förderung oder auch bei der Freizeitbegleitung“, erklärt sie.

Als ein Vertreter für Menschen mit Behinderung wurde Lothar Holzer gewählt. Er braucht einen Alltagsbegleiter, auch um sich mitzuteilen. Man sehe das als Bereicherung, aber natürlich auch als Herausforderung für den Aufsichtsrat an. „Aber wer kann das meistern, wenn nicht wir?“, so der Tenor der Lebenshilfe-Verantwortlichen.

In der Mitgliederversammlung wurde bei einer Gegenstimme der Weg frei gemacht für die neue Organisationsstruktur. Nach einer konstituierenden Sitzung des neu geschaffenen Aufsichtsrates fehlt noch die Eintragung ins Vereinsregister. Bis Jahresende soll die Umstrukturierung vollzogen sein. Zwei Jahre Vorbereitung sind dieser Entscheidung vorausgegangen. Die Lebenshilfe ließ sich von einem Fachanwalt beraten, der schon andere Lebenshilfen, auch im Umkreis, bei der Umwidmung unterstützt hat.

BNN / Nicole Jannarelli

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