Wir wachsen noch mehr zusammen

Still ist es auf dem Gelände der Lebenshilfe im Bruchsaler Fuchsloch geworden. Wo vor wenigen Wochen noch rege Geschäftigkeit herrschte, große LKWs Waren anlieferten und abholten, Mitarbeitende mit und ohne Beeinträchtigungen zusammenstanden und sich unterhielten, ist jetzt kaum noch jemand unterwegs.
Seit dem 19. März gilt die sogenannte „Betriebsruhe“. Das heißt, dass alle sechs Betriebsstätten an den Standorten Bruchsal, Bretten und Graben-Neudorf sowie die dazugehörigen Förder- und Betreuungsgruppen (FUB) geschlossen sind. Auch die 5 Lebenshilfe-Wohnheime sind für Besucher nicht zugänglich.

Wie geht man mit dieser Situation um?

„Alle Mitarbeiter mit Handicap arbeiten nicht mehr. Das Personal, wie Gruppenleiter, Produktionshelfer oder Ehrenamtliche, hält die Produktion in Form einer Notmannschaft aufrecht“, berichtet Norbert Sebold, Technischer Leiter. „Vereinzelt haben unsere Firmenkunden Kurzarbeit angemeldet und vergeben keine Aufträge mehr. Mehrheitlich läuft die Produktion noch, teils mit Reduzierungen, aber auch mit Erhöhungen, insbesondere in der Medizinbranche, wie das Nähen der Masken in den Textilabteilungen in Bruchsal und Graben-Neudorf. Alle Masken, die wir selbst nicht benötigen, geben wir an die Regionale Kliniken Holding RKH GmbH unentgeltlich weiter“, berichtet Norbert Sebold.
Inzwischen unterstützen zudem rund 60 Personen von zu Hause aus die Maskenproduktion. Auch gebe es inzwischen 3 Personen die von extern in den Textil-Abteilungen an den Nähmaschinen zuarbeiten. „Die ,Grenzen‘ zwischen den Bereichen Betriebsstätten, Wohnen, und FUB existieren praktisch nicht mehr: Jeder hilft jedem“, zeigt sich Sebold erfreut.
Erste Priorität habe jedoch die Aufrechterhaltung einer Tagesstruktur für Menschen mit Behinderungen, die im Wohnheimen leben, betont Sebold. (Zwei Drittel der Mitarbeiter mit Beeinträchtigungen werden derzeit von ihren Eltern oder Angehörigen zuhause betreut.) Hierfür ist auch Personal aus den Betriebsstätten für die Betreuung an den einzelnen Standorten in Bretten, Bruchsal und Graben-Neudorf eingesetzt worden. In dieser Tagesbetreuung, die in den Räumlichkeiten der FUB, der Betriebsstätten oder der Seniorenbetreuung der Wohnheime stattfindet, wird nun zusammen gebastelt, gesungen, gekocht oder gemalt. Auch Freizeitaktivitäten, wie kleine Spaziergänge auf dem Lebenshilfe-Gelände (wenn groß genug), oder gemeinsames Kaffee-Trinken im Garten der FUB, sind möglich. Um eine Durchmischung der Gruppen während der Tagesbetreuung zu verhindern, wurden die Zusammensetzungen, so wie sie auch in den Wohnheimen bestehen, beibehalten.

Der Kontakt zu den Angehörigen ist wichtig

Im Bereich des stationären Wohnens brachte die veränderte Situation mit sich, dass zum Beispiel in den beiden Wohnheimen in Bruchsal nun auch Nachtwachen, die zuvor von dem Personal des benachbarten Wohnpflegeheims mitbettreut wurden, für jedes der beiden Wohnheime eingesetzt werden. Dies verhindert ein Austausch zwischen den 3 Häusern. Hierfür konnten ehemalige Lebenshilfe-Mitarbeiter akquiriert werden, worüber sich Dominik Pfeiffer, ehemaliger Wohnheimleiter und eigentlich Leiter der Unterstützen Kommunikation, besonders freute. Pfeiffer arbeitet derzeit auch wieder in seiner vorherigen Funktion.
Für Rita Bender, Leiterin des Wohnpflegeheims ist die derzeitige Lage eine „Herausforderung, da mehr Personal benötigt werde“. Sie ist sehr dankbar dafür, dass sich Mitarbeiter freiwillig gemeldet haben, um zu pflegen und in der Tagesbetreuung mitzuarbeiten. Auch sieht sie sich gut von der Geschäftsleitung und von Hanne Schmich, der Leiterin der FUB, unterstützt und sie stehe im regen Austausch mit den einzelnen Bereichen. Auch in den Wohnheimleiter-Versammlungen sei der Zusammenhalt sehr gut, betont Rita Bender. Überdies erhalte sie so manche Unterstützung von außerhalb: So habe sich eine Angehörige bei ihr gemeldet, die Mundschutz für die Mitarbeiter und Bewohner näht. „Das war toll“, freut sich Rita Bender. „Der Kontakt zu den Angehörigen ist gerade in der jetzigen Situation sehr wichtig. Um ihn aufrecht zu erhalten, können die Bewohner mit ihren Familien telefonieren oder wir machen Fotos und schicken sie den Angehörigen zu“, erzählt sie.

Beratung und Krisenintervention - auch vor Ort

Auch im Bereich des Sozialdienstes hat sich der Tagesablauf stark geändert: Da, wo vorher Gruppen-Meetings und Einzelgespräche an der Tagesordnung waren, werden nun, da die Mitarbeiter mit Beeinträchtigungen zuhause sind, telefonisch beraten. Oder die Mitarbeiter des Sozialdienstes kommen bei Bedarf auch mal vor Ort und führen ein (Krisen-) Gespräch bei einem Spaziergang, wenn zuhause die Decke auf den Kopf fällt. Insgesamt sieht auch Volker Klett, Leiter des Sozialdienstes, das Positive der Lage in der spürbaren Solidarität der Mitarbeiter untereinander. Auch würde durch die intensive Zusammenarbeit der einzelnen Bereiche an allen Standorten - wie Betriebsstätten, Wohnstätten, FUB sowie Offenen Hilfen, u. a, - die Einrichtung als solche noch mehr zusammenwachsen.

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